Zum Inhalt springen

Eisbären, Gletscherspalten, Lawinen, Meereis und Unterkühlung -- Die Arktis ist nicht gerade der sicherste Platz auf Erden. Und obwohl es der Ort ist an dem man den Klimawandel am stärksten zu spüren bekommt, gibt es kaum einen Ort mit so wenig Daten. 


So ging es für mich Anfang Januar im Flugzeug über Norwegen in die arktische Nacht nach Longyearbyen auf der Inselgruppe Svalbard. Angekommen in der nördlichsten Stadt der Welt war von der Sonne nichts mehr zu sehen, denn diese würde erst wieder im Februar dem Horizont so nahekommen, dass wir die Dämmerung sehen können. Aber warum bin ich überhaupt dorthin? In Hamburg mache ich meinen Master in „Ocean and Climate Physics“ und habe mich dort immer schon für die Kryosphäre und alles was an den Polen unserer Erde passiert interessiert.  Einer unserer Professoren hat einen Teil seines 
Studiums in Svalbard verbracht und uns davon in den Vorlesungen berichtet. Als ich mich nun informierte welche Kurse in meinem Interessensfeld dort angeboten werden, habe ich einen gefunden in dem es um die Interaktion der Oberfläche mit der Atmosphäre geht. Da Permafrost und diese Interaktion sehr wichtig für unser Verständnis des Klimawandels sind habe ich mich beworben und bin nun Anfang des Jahres in den Norden gegangen. Angekommen im ewigen Eis, konnten wir in das Studentenwohnheim einziehen und am folgenden Tag ging es dann schon los mit der „Safety Week“ in der wir auf alle möglichen Gefahren vorbereitet wurden. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir dabei das Waffentraining und das Training zur Rettung aus einbrechendem Meereis. Auf Spitzbergen gibt es noch eine der größten Populationen an Eisbären und diese jagen und wandern überall auf der Insel. Damit man sicher ist, ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass man beim Verlassen der Stadt eine Waffe und Signalpistole zum Verschrecken der Bären mit sich führt. Daher war es Pflichtprogramm für alle Studenten einen kleinen Waffenkurs zu machen, um den Umgang mit den Gewehren zu üben. Abgesehen davon haben wir noch Gletscherrettung, Erste Hilfe, Kommunikationstraining und Lawinenrettung gelernt, immer mit einem theoretischen und praktischen Teil.  Beim Training für die Meereisrettung sind wir für den praktischen Teil zum nahen Frischwassersee gefahren. Der See war mit circa 60cm Eis zugefroren und es hatte frostige 15°C Lufttemperatur. Ausgestattet mit unseren Schneemobilanzügen und kleinen Metall Nägeln mussten wir einer nach dem anderen in ein vorbereitetes Loch im Eis in das kalte Wasser springen, 10 Sekunden warten und uns dann selbst retten. Ich glaube so kalt war mir in meinem ganzen Leben noch nicht. Nachdem ich in dieser Woche über die „100 Wege in der Arktis zu sterben“ gelernt habe ging es dann los mit dem eigentlichen Uni Kurs und wir lernten über das „Atmospheric Boundary Layer“ und unsere verschiedenen Messinstrumente, die wir bei der Feldarbeit benutzen werden. Durch seine exklusive Lage in der Arktis ist eines der grundlegenden Prinzipien von UNIS (University Centre In Svalbard) in jedem Kurs einen Anteil Feldarbeit zu 
integrieren und neue Daten in diesem abgelegenen Bereich der Erde zu sammeln. Neben Wetterballons und kleinen Wetterstationen haben wir in unserem Kurs auch Drohnen Messungen und sogenannte IRGASON Messungen gemacht. Die beiden Letzteren waren Teil meiner Gruppe und wir untersuchten damit den Austausch von CO2 zwischen Atmosphäre und Boden. An den Wochenenden lag es dann nahe so viel wie möglich die einzigartige Natur des Umlands zu erkunden, natürlich musste man dafür immer eine Gruppe und das nötige Equipment haben und natürlich auch eine Waffe und Signalpistole leihen. Besonders daran habe ich mich nie so richtig gewöhnt. Auch wenn ich nur sieben Wochen dort verbrachte, habe ich sehr viel erleben können und viele Erinnerungen mitnehmen können. Wir waren wandern in den umliegenden Bergen, haben mehrere Eishöhlen erkundet, ich war Eisklettern sowohl in der Eishöhle als auch an gefrorenen Wasserfällen, Langlaufski, und eine Skitour den Berg hoch durften natürlich auch nicht fehlen. Und wenn es dann mal 
etwas entspannter zugehen sollte, waren wir gemeinsam in der schwimmenden Sauna, im nördlichsten öffentlichen Schwimmbad der Welt, auf der Schlittschuhbahn im Ort oder einfach abends in einer der Bars noch ein Bier trinken. Für mich war diese Erfahrung absolut einzigartig und ich kann jedem nur empfehlen sich nach solchen besonderen Orten für sein Studienfach zu informieren. Nachdem ich so viel über Meereis und die polaren Wechselwirkungen mit dem Klima in Vorlesungen gelernt habe war es beeindruckend das gefrorene Meer mit den eigenen Augen zu sehen und selbst Messungen in der Eiseskälte machen zu können. Nach einem abschließenden Report über unsere Ergebnisse und ohne die Sonne nur einmal gesehen zu haben ging es für mich dann am 25. Februar wieder nach Unna, um die Koffer zu tauschen, denn das nächste Abenteuer wartete schon, mein Erasmus für 4 Monate in Lissabon. 


Konstantin (24), studiert „Ocean and Climate Physics” an der UHH Hamburg.